Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Demut ist mehr als eine Tugend

Erstellt von r.ehlers am Donnerstag 5. November 2015

Das deutsche Wort Demut ist abgeleitet aus dem altdeutschen diomuoti, was die Bereitwilligkeit zum Dienen beschreibt. Ihm entspricht im Wesentlichen die lateinische Humilitas, die aber den Schwerpunkt des Begriffs bei der Feststellung der Niedrigkeit im Gegensatz zur Höhe anspricht.

Ungeachtet der Herkunft des Wortes ist die Demut ein kulturelles Phänomen, das heute mehr oder minder in allen Sprachen, Weltanschauungen und Religionen gleich verstanden wird.

Demütig – und nicht hochmütig – ist, der sich bewusst ist, dass etwas über ihm steht, das er nicht erreichen kann.

Damit einher geht eine Bescheidenheit (engl. humbleness, devotion) im Gegensatz zur Arroganz. Diese innere Haltung kennzeichnet die Demut, nicht ihre Demonstration im Sinne einer offenen Unterwerfung des Knechts unter den Herrn. Es gibt ja auch eine falsche Bescheidenheit und eine vorgetäuschte Demut.

In allen Religionen und den allermeisten Weltanschauungen gilt die Demut als eine Tugend, also eine wünschenswerte innere Einstellung. Für Religionen, die unerreichbare mächtige oder gar allmächtige Götter über den Menschen sehen, ist die Demut sogar das höchste Gebot. Schon das erste der zehn christlichen Gebote sagt, dass der alleinige Gott der Herr des Menschen sei und dieser keine anderen Götter neben ihm haben dürfe. Folgerichtig antwortet der ketzerische Philosoph Friedrich Nietzsche, dass die Demut zu den gefährlichen, verleumderischen Idealen gehört, „hinter denen sich Feigheit und Schwäche, daher auch Ergebung in Gott verstecken.“

Der wahrhaftig „menschlichste alle Päpste“, einer der wenigen wirklichen Reformer auf dem vatikanischen Thron, Johannes XIII (Angelo Giuseppe Roncalli), drückte seine Demut vor seinem Gott so aus:

  • „Mein demütiges und nun langes Leben hat sich entwickelt wie ein Knäuel unter dem Zeichen der Einfachheit und Reinheit. Es macht mir nichts aus anzuerkennen und zu wiederholen, daß ich nichts bin und nichts gelte als ein reines Nichts. Der Herr ließ mich aus dem armen Volk geboren werden und hat an alles übrige gedacht. Ich habe ihn machen lassen“, und:
  • „Solange jemand sein Ich nicht unter seine Füße gesetzt hat, ist er nicht frei.“

-de.wikipedia.org-

Erich Fromm (1974)

Der große Humanist und frühe Vordenker eines demokratischen Sozialismus Erich Fromm erklärte schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, dass

  • die Demut als die der Vernunft und Objektivität entsprechende emotionale Haltung die Voraussetzung zur Überwindung des eigenen Narzissmus ist.

Als die Wissenschaften noch nicht die oft erschreckenden Phänomene der Natur und des Menschen in ihr in  all ihren unerhörten Komplexitäten immer objektiver beschrieben hatten, hätte man kaum so denken können wie Erich Fromm. Heute liegt es dagegen weit näher, die Stellung des Menschen innerhalb  der Schöpfung objektiv und rational zu begreifen als nach Direktiven aus dem Jenseits zu suchen, die unsere Unterworfenheit unter einen oder mehrere Götter normieren sollen.

Wo wir heute schon lange wissen, wie Blitz und Donner am Himel entstehen, können wir mit dem Donnergott Donar oder den Blitze schleudenden Göttervätern Zeus und Jupiter nichts mehr anfangen. Es macht auch keinen Sinn mehr, händeringend nach einem Herrn im Himmel zu fragen, seit wir wissen, dass sich die Erde um unsere kleine Sonne dreht, die sich am Rande unserer kleinen Galaxis in diesem einen uns bekannten Universum von vielleicht unzählig vielen Universen in vielleicht unendlich vielen Dimensionen befindet. Und was bedeuten noch groß und klein und oben und unten, wenn sich die Materie im Quantenbereich an mehreren Orten zugleich aufhalten kann und sich letztlich in Energie auflöst.

Es bedarf keiner besonderen Tugend, um vor den Rätseln der Welt ehrfürchtig innezuhalten und zu erkennen, dass wir nur eines von vielen in der Natur sich bei günstigen Umständen von selbst entwickelnden Lebewesen sind – und womöglich gar nicht eine Krone der Schöpfung mit einem eingewebten göttlichen Funken!

Es reicht, so wie Fromm das sagt, der Einsatz der Vernunft, um mit den uns gegebenen Erkenntnismöglichkeiten soviel wie nur möglich von der Welt zu objektivieren. Wegen der offensichtlich gegebenen Grenzen der Erkenntnis bleibt uns neben dem Erstaunen vor der Komplexheit und Undurchschaubarkeit der Welt die Ungewissheit darüber, wie nahe wir der Realität und Wahrheit bisher gekommen sind oder überhaupt kommen können. Für homzentristischen Hochmut a la Nietzsche ist da nach meiner Meinung kein Raum,  auch nicht für wilde Spekulationen.

Demut ziemt sich auch für die Herren des Gesundheitswesens

Die eben nicht nur aus Gründen tugendhaften Verhaltens, sondern aus Gründen der Objektivität und Rationalität gebotene Demut ist die einzig richtige Einstellung auch für alle Akteure im Gesundheitswesen. Wer wie brave Standardmediziner jede therapeutische Hilfe ablehnt, wenn sie nicht dem Dogma der ergebnisbasierten Medizin passt, verschließt die Augen vor den noch lange nicht erschlossenen Geheimnissen der Biologie des Menschen und den Möglichkeiten der Erfahrungsmdizin, die sich erfolgreich auch in Bereiche hineinwagt, die nicht exakt naturwissenschaftlich ergründet sind.

Keine Demut vor den falschen Göttern

Wer andere beherrschen will, verlangt gern von ihnen eine Unterwerfung in demustvoller Haltung und Gesinnung. Dies nimmt den Betroffenen ihre Autonomie, die Möglichkeit der Selbstverwirklichung, wenn ihnen die Unterwerfung aufgezwungen ist, vgl. http://www.essenspausen.com/autonomie-beim-essen-und-in-der-lebensgestaltung/.

Ob die Götter, denen man sich freiwillig unterwirft, die richtigen oder die falschen sind, muss jeder selbst entscheiden. Dabei ist auch die Frage der Theodizee erlaubt, nämlich ob ein angeblich allmächtiger Gott, der die schlimmsten Übel gewähren lässt und wie im Falle des armen Hiob auch noch immer neu quält, nur um seinen Glauben zu prüfen, wirklich der richtige ist.